Ein Beitrag von Eva Lux:
Ich bin wütend. Auf die Autobauer und auf die Bundespolitik, die zusammen von Dieselgipfel zu Dieselgipfel schlendern und eine Kurzsicht bewiesen haben, die einfach nur zum Haare raufen ist. Und am Ende muss ein Gericht entscheiden, dass die Städte und Kommunen ja einfach Fahrverbote für Dieselfahrzeuge verhängen können. Alle haben dieses Urteil mit zitternden Händen erwartet. Als ob es einen Unterschied gemacht hätte, wenn das Gericht anders entschieden hätte! Die Grenzwerte für Stickoxide und Feinstaub in der Luft sind rechtlich bindend und sanktionsbewehrt! Irgendetwas hätte passieren müssen. So oder so. Was sagt das über uns aus, wenn die einzige Hoffnung darin besteht, dass es gar keine Lösung gibt? Schönen Dank auch! Bürger und Städte löffeln gerne die versalzenen Suppen anderer Leute aus!
Die schuldigen Autobauer
Die Autobauer haben betrogen. Und das, obwohl es Ihnen schon leicht gemacht wurde! Die Prüfung der Emissionswerte für die Euro5 Norm auf dem Rollstand war gelinde gesagt realitätsfern. Und trotzdem mussten sie auch noch mit Softwarepaketen betrügen! Das ist schon weit jenseits von dreist. Und die staatlichen Kontrollinstanzen? Haben zwei Augen zugedrückt! Warum wurden Betriebserlaubnisse für diese Fahrzeuge überhaupt ausgestellt? Der Käufer eines Fahrzeuges verlässt sich doch darauf, dass das, was er kauft, den gesetzlichen Grenzwerten entspricht.
Das Urteil
Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass Fahrverbote für Dieselautos als Maßnahme gegen die Luftverschmutzung rechtens sind. Das Gericht hat KEINE Fahrverbote verhängt. Dieselfahrverbote sind erlaubt, als eine Möglichkeit unter anderen zur Verbesserung der Luftqualität. Doch warum stehen Fahrverbote überhaupt im Raum? Weil die Luft in manchen Städten bzw. an manchen Straßen die zulässige Belastung mit Stickoxiden und Feinstaub überschreitet. Diese Grenzwerte sind rechtlich verbindlich einzuhalten, andernfalls müssen die verantwortlichen Stellen mit Klagen rechnen. Und rechtlich verantwortlich sind die Städte und Kommunen. Das Gerichtsurteil war übrigens erwartbar.
Städte und Bürger tragen die Konsequenzen
Empörend ist, dass Fahrverbote nicht die Verursacher treffen, sondern die Bürger und ihre Gemeinden. Die Käufer von Dieselfahrzeugen erleiden einen massiven Wertverlust ihres Autos. Wer kauft schon ein Auto, das nicht überall fahren darf? Und die Gemeinden werden mit dem Problem alleingelassen, dass sie gefälligst ihre Luft reinzuhalten haben. Nur wie soll das gehen? Die Menschen fahren ja nicht aus Jux und Tollerei Auto. Sie pendeln zu ihren Arbeitsplätzen und erledigen Einkäufe, Behördengänge, Arztbesuche und vieles mehr. Und die Handwerker? Ohne Auto, keine Handwerker. Und die Wirtschaft? Ohne Diesel kein Nachschub von Rohmaterialien und Produkten und also keine Fabrik und auch kein Supermarkt. Die Konsequenzen eines allgemeinen Fahrverbots sind nicht auszumalen.
Das Geschacher um die Ausnahmen
Und deshalb geht jetzt das Geschacher los: Ausnahmegenehmigungen für Handwerker, für das Logistikgewerbe usw. Nur irgendwann ist kaum noch nachvollziehbar, warum nur die privaten Haushalte auf ihr Auto verzichten sollen. Ist der Einkauf für die Familie denn wirklich eine Luxusfahrt? Und was ist eigentlich mit dem Stickoxid der Rheinschifffahrt? Ab wann führen Ausnahmen die Regel ins Lächerliche? Wer soll das eigentlich überprüfen?
Dicke Luft in Leverkusen
Leverkusen ist eine Autostadt. Hier treffen sich Autobahnen quasi in der Innenstadt. Innerstädtischer Stau ist leider Normalität. Verkehrsinfarkt? Droht akut. Und was die Grenzwerte angeht: betroffen dürfte den Messungen zufolge die Gustav-Heinemannstraße sein. Hier messen wir hohe Stickoxidwerte. Wenn der Bund oder das Land nicht mit einer anderweitigen Lösung aufwarten, dann werden Fahrverbote fällig. Aber zum Glück nicht für alle. Die Autos auf der Autobahn dürfen weiterfahren, wir Leverkusener aber kommen nicht mehr durch die eigene Stadt! Ist das die Zukunft? Deutschland 4.0? Mobil mit Eselkarren!
Einfach mal verzichten?
Nun weiß ich, wie gerne heute gesamtgesellschaftliche Probleme auf individuelles (Fehl-)Verhalten zurückgerechnet werden. „Lasst doch mal das Auto stehen, dann gäbe es das Problem nicht!“ Und dass die Leute hierauf säuerlich reagieren, kann ich verstehen. Ich fahre selbst Auto. Nicht viel. Nur für Termine, die mit dem ÖPNV nicht gut erreichbar sind. Oder für größere Einkäufe. Und ja, manchmal auch nur aus Spaß. Aber ich habe die letzten 8 Jahre kein Auto gehabt. Und es ging. Ziemlich gut sogar. Die Anbindung nach Düsseldorf und Köln und der innerstädtische ÖPNV ist aber auch überdurchschnittlich gut in Leverkusen. Davon können andere Gemeinden nur träumen. So lange die Menschen und ja, auch die Handwerker und Zulieferer auf das Auto angewiesen sind, so lange sind moralische Debatten einfach nur wohlfeil. Wir brauchen angemessene Alternativen zum Auto. Und zwar möglichst bald.
Akutlösung: Technische Umrüstung durch die Autobauer
Wenn die Bürger – und machen wir uns nichts vor: Das betrifft auch die Wirtschaft! – nicht die Leidtragenden sein sollen, dann gibt es eigentlich nur einen kurzfristigen Weg, um Fahrverbote zu verhindern: Die technische Umrüstung der Dieselautos mittels Harnstoffeinspritzung („Ad Blue“) in die Abgasreinigung. Und zwar bezahlt von den Herstellern. Das wird teuer. Keine Frage. Ich verstehe auch die Sorge um Arbeitsplätze. Und unter Umständen müssten wir das bezuschussen oder vorstrecken oder wie auch immer. Aber wer Mist baut, muss auch die Verantwortung tragen!
Mittelfristlösung: Neue Zulassungskriterien für saubere Diesel
Im nächsten Schritt müssten die Zulassungskriterien für neue Autos angepasst werden. Es dürfen nur noch Autos verkauft werden, die unter normalen Bedingungen die Grenzwerte einhalten. Die Autobauer müssten dann in neue, saubere Motoren investieren. Mit dem durchschnittlichen Austauschzyklus von alten gegen neue Autos würde sich die Luftbelastung bereits in 5 Jahren erheblich reduzieren! Nach 10 Jahren wären kaum noch die alten Schmutzschleudern in Verkehr und das Problem gelöst.
Weichen für den Verkehr der Zukunft
Langfristig kommen wir nicht darum herum, eine Verkehrswende einzuleiten: Die Autos sind ja nicht nur ein „Umwelt“-Problem, sondern auch eine ungemeine Belastung für die Infrastrukturen und den Flächenverbrauch. Wir brauchen endlich eine deutschlandweite Strategie für die Verkehrswende. Nicht als moralisches Projekt gegen den bösen Autofahrer. Sondern weil es notwendig ist! Schon heute ist Stau in den Metropolregionen wie unserer an der Tagesordnung. Die Städte platzen aus allen Nähten. Wir brauchen einen immensen Ausbau der öffentlichen Verkehrssysteme! Nur brauchen wir uns keine falschen Hoffnungen machen: Das braucht Zeit. Das dauert Jahre und auch dann klappt es nur mit riesigen Infrastrukturinvestitionen. Gerade deshalb ist es an der Zeit. Fangen wir an!
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