Ein Beitrag zum Praktikum von Kamil Doğuş Karabulut:
Als türkischer Erasmus-Student, der in Köln Politikwissenschaften und Menschenrechte studiert, beschloss ich in der Mitte meines ersten Semesters in Deutschland, mich nach Praktikumsmöglichkeiten in meiner Umgebung umzusehen. Ich kam auf die Idee, mein Praktikum direkt bei einer politischen Partei statt bei einer internationalen Organisation zu absolvieren, um mit dem Land, in dem ich lebe, vertrauter zu werden.
Der Beginn einer neuen Erfahrung
Ich hatte zwar schon einige Informationen über deutsche Parteien und das politische System, aber ich hatte trotzdem das Bedürfnis, noch mehr zu recherchieren. Dann entschied ich mich, mich bei der SPD für ein Praktikum zu bewerben, da die Partei bestimmte Grundsätze mit der Partei teilt, die ich in der Türkei unterstütze. Später habe ich mich mit dem Büro in Verbindung gesetzt. Ich habe ihnen eine E-Mail geschickt, in der ich meine Motivation, meine Interessen und auch meine Schwäche – die Sprache! – genannt habe. Kurz darauf erhielt ich eine Antwort: Ich wurde zu einem Vorstellungsgespräch nach Leverkusen eingeladen. Ich fuhr zum ersten Mal mit dem Zug von Köln nach Leverkusen und hatte an diesem Tag meine ersten Eindrücke von der Stadt. Im Gegensatz zu anderen Vorstellungsgesprächen war ich diesmal vor allem wegen einer Sache nervös, nämlich wegen der deutschen Sprache. Denn es war mein erstes Vorstellungsgespräch auf Deutsch! Ich weiß noch, dass ich aus Versehen das Wort „schlagen“ statt „vorschlagen“ benutzt habe, und bis heute haben wir nicht über diesen „kleinen“ Fehler gesprochen…
Trotzdem hat mich die Freundlichkeit meiner jetzigen Kollegen ermutigt und motiviert, die Sprache weiter zu lernen.
Nach ein paar Wochen erhielt ich die E-Mail, dass sie mich angenommen haben, aber da sie schon andere Praktika geplant hatten, konnte ich erst nach ein paar Monaten anfangen. Schließlich kam der erste Tag und ich habe das Praktikum begonnen. Allerdings war es ein schwieriger Start: nach dem ersten Tag erfuhr ich, dass ich Covid hatte, und musste eine weitere Woche auf meinen erneuten Start warten. Dabei konnte ich es kaum erwarten, diese neue Erfahrung zu beginnen, und die Quarantäne fühlte sich unendlich an. Später, bei meinem zweiten Start, lief endlich alles gut. Ich lernte Julian, Anja und Engin kennen, alles sehr nette, hilfsbereite Menschen, die die Geduld hatten, mir trotz der Sprachbarriere alles langsam zu erklären und auch Dinge zu wiederholen, wenn sie mir noch unklar waren. Die allgemeine Stimmung im Büro ist nicht stressig, obwohl sie jeden Tag mit vielen Aufgaben zu tun haben. Von dem Büro war ich auch sehr beeindruckt: Trotz Altbau ist recht modern, sehr gut ausgestattet und organisiert.
Meine Aufgaben
Wenn es um Aufgaben geht, möchte ich mich besonders bei Anja bedanken, die mir jede Aufgabe deutlich erklärt hat und wenn ich etwas auf Deutsch nicht verstanden habe, wir auch auf Englisch wechseln konnten. Die Aufgaben, die ich während meines Praktikums hatte, waren das Verfassen von Pressemitteilungen und Pressespiegeln, das Überprüfen der sozialen Medien der anderen Parteien in Leverkusen und das Beantworten von Bürgeranfragen. Außerdem hatte ich die Möglichkeit, an den Fraktionssitzungen im Rathaus teilzunehmen und dabei zu beobachten, wie Fraktionssitzungen gestaltet sind und ablaufen. Ich war überrascht zu erfahren, dass die Mitglieder der Fraktion dies ehrenamtlich neben ihrer Arbeit tun und sich insofern aktiv dafür entscheiden, ihre Stadt verbessern zu wollen, anstatt Zeit mit ihrer Familie oder ihren Freunden zu verbringen.
Die Landtagswahl Miterleben
In dieser Zeit habe ich auch die Landtagswahl 2022 in NRW miterlebt. Es war eine spannende Erfahrung, in der Partei zu sein, die so kurz davor schien, die Wahl zu gewinnen. Als jemand, der sich sehr für Wahlen interessiert, habe ich mir das Wahlprogramm der SPD angeschaut und die Versprechen der Kandidaten gelesen und sie mit den vorherigen Wahlen, die ich in der Türkei miterlebt habe, verglichen. Dabei ist mir aufgefallen, dass die Themen in den verschiedenen politischen Kontexten unterschiedlich sind und dass die Politiker einen anderen Stil verwenden. Auch neu – und unterhaltsam – war für mich der Wahl-O-Mat, bei dem ich meine Einstellungen mit denen verschiedener Parteien vergleichen konnte. Mein Ergebnis: Ich war bei der richtigen Adresse!
Aktivismus für die Stadt Leverkusen
Außerdem habe ich mich mit den Themen vertraut gemacht, die die Menschen und Politiker vor Ort betreffen, wie z.B. der Regionalplan für Leverkusen, das neue Bioabfallsystem und der Ausbauplan der Autobahnen A1 und A3 in Leverkusen. Speziell zu letzterem haben wir an einer Demonstration in Berlin teilgenommen. Mitglieder aller Parteien und Bürger waren für eine Sache vereint und reisten in die Hauptstadt, um gegen den Ausbau der Autobahnen zu protestieren, die schon jetzt viel kostbaren städtischen Raum beanspruchen. Ich war überrascht zu sehen, dass alle Parteien gemeinsam in einem Bus unterwegs waren, da eine solche überparteiliche Atmosphäre in meinem Heimatland nicht möglich wäre.
Für wen ist dieses Praktikum?
Die Erfahrung eines Praktikums bei der SPD-Fraktion kann ich Studenten und Schülern empfehlen, die mehr darüber erfahren möchten, wie Kommunalpolitik funktioniert. Wenn sie Leverkusen kennen, haben sie die Möglichkeit zu sehen, wie Entscheidungen in der Stadt, in der sie leben, getroffen werden, wenn sie nicht hier leben, können sie eine neue Stadt von Grund auf kennen lernen, so wie in meinem Fall. Auch internationale Studenten wie ich (gute, aber nicht unbedingt perfekte Deutschkenntnisse sind empfehlenswert) können die Stadt Leverkusen kennen lernen und sich mit dem Land, in dem sie leben, besser vertraut machen. Ich möchte mich bei der SPD-Fraktion Leverkusen für ihre Inklusivität und Offenheit bedanken und andere Studenten ermutigen, sich für ein Praktikum zu bewerben!