Ein Beitrag von Heike Bunde:
Montagabend 22.00 Uhr. Müde und hungrig komme ich nach Hause. Mein Mann und mein Sohn empfangen mich mit den Worten: „Na, das war aber heute eine lange Ratssitzung!“ Wir haben schon in Radio Leverkusen gehört, dass das Busbahnhofsdach beschlossen wurde und es immer noch keinen Supermarkt in Bergisch Neukirchen gibt.
Dann die Frage meines 16-jährigen Sohnes, die er mir schon oft gestellt hat: „Mama, du sitzt seit heute Mittag im Rathaus. Warum bist du im Stadtrat? Warum machst du DAS? Ich hätte dazu keine Lust.“
Gedanken über das Leiden
Noch eine Kleinigkeit essen. Raus aus den Schuhen und ab auf das Sofa. Eigentlich will ich abschalten. Stattdessen checke ich noch schnell mit dem Tablet die Kommentare in den sozialen Netzwerken zu der Ratssitzung. „Was für Knallköppe sitzen da eigentlich im Stadtrat!“, „Unfähiges Pack!“ und vieles mehr, dass ich hier nicht wiedergeben möchte kriege ich dort zu lesen. Üble Kommentare, die die Ratsmitglieder, egal welcher politischen Farbe, teilweise aufs Übelste diffamieren.
Diese Reaktionen lassen mich nachdenklich werden. Was bewegt diese Menschen zu solchen Kommentaren?
Ich denke nochmal über die Frage meines Sohnes nach. Warum mache ich das? Warum tue ich mir das an? Was motiviert mich eigentlich?
Abenteuer Ehrenamt
Ich bin seit 30 Jahren Mitglied der SPD. Fast genauso lange engagiere ich mich in der Kommunalpolitik. Ich war sachkundige Bürgerin, Bezirksvertreterin und seit 2014 sitze ich im Rat der Stadt. Warum mache ich das? Erster Grund warum ich DAS mache: Ich bin in Leverkusen geboren, fühle mich eng mit dieser Stadt verbunden und mag sie in all ihrer Vielfältigkeit. Zweiter Grund: Ich mag Menschen. Politik wird von Menschen für Menschen gemacht. Dritter Grund: Welche Stadt hinterlassen wir unseren Kindern.
Sicher, die drei Gründe sind meine Motivation. Aber warum bin ich im Stadtrat. Ich habe im Stadtrat die Möglichkeit, in den unterschiedlichsten Gremien Konzepte und Ideen zu erarbeiten, die diese Stadt voranbringen. Dazu gehört auch, sich mit den anderen Fraktionen des Rates zusammenarbeiten und auseinander zu setzen.
Das Alles kostet Zeit. Zeit ist ein gutes Stichwort. Ich bin berufstätig und habe Familie, so wie viele meiner Kolleginnen und Kollegen im Stadtrat. Am Beginn des Sitzungsturnus heißt das, Vorlagen lesen, Sitzungen vorbereiten, Arbeitskreise, Fraktions- und Ausschusssitzungen besuchen, interfraktionelle Gespräche führen, Bürgersprechstunden organisieren. Da kommen gut und gerne 20 Stunden in der Woche zusammen. Und nicht zu vergessen die Wochenenden: Der Besuch der Kleingartenvereine, Straßenfeste, Karnevalssitzungen, Schützenfeste etc., sind Pflichtveranstaltungen für Ratsmitglieder.
Die Krux der Anerkennung
Klar, oft werde ich oft belächelt, wenn ich sage, ich kann heute leider nicht, ich habe einen Termin im Rathaus. Andersrum schlägt mir auch eine große Wertschätzung für mein Engagement entgegen. Oft höre ich: „Gut, dass es Menschen wie dich gibt, die sich für die Gesellschaft und die Demokratie engagieren“. Ehrlich, das tut gut und motiviert weiterzumachen.
Ja, und dann gibt es die Menschen, die in den sozialen Netzwerken, in Leserbriefen oder persönlich von ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch machen. Das sollen sie, das ist wichtig, denn nur im Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern können wir die Themen, die in dieser Stadt wichtig sind voranbringen.
Als Kommunalpolitikerin muss ich aber auch ein dickes Fell haben. Man muss Kritik oder Unmut der Bürgerinnen und Bürger aushalten und sachlich darauf antworten.
Ich will es aber nicht mehr widerspruchslos hinnehmen, dass Menschen, die sich für diese Gesellschaft ehrenamtlich engagieren, in sozialen Netzwerken in Kommentaren, diffamiert oder beleidigt werden.
Innehalten und denken bevor man einen Wutkommentar schreibt
Ich bitte diese Zeitgenossen einmal inne zuhalten, sich einmal zu überlegen, warum Sie sich nicht in politischen Gremien engagieren und es ggf. besser machen. Sind Sie bereit ihr Gesicht zu zeigen und nicht nur virtuell ihre Meinung kundzutun?
Bei aller Kritik „an den Politikern“, in einen sachlichen und von Argumenten getragenen Dialog zu treten ist stark, Hetzkampagnen und alles schlecht reden, ist schwach.
Bei meinem Sohn ist noch die eine oder andere Frage offen, die ich mit ihm noch diskutieren muss aber es ist bei ihm angekommen, dass ich das, was ich tue, aus Überzeugung und Leidenschaft tue. Ja, ich bin stolz darauf, Mitglied im Rat dieser Stadt zu sein!