Ein Beitrag von Eva Lux:
Zunächst einmal gilt es, um Entschuldigung zu bitten. Denn diese Überschrift war natürlich Clickbait. Bewusst reißerisch eingebettet in die Hochphase der Fußball-Weltmeisterschaft, um so viele Aufrufe wie möglich zu generieren. Tatsächlich geht es in diesem Artikel nämlich gar nicht um den beliebtesten Zeitvertreib der Deutschen, sondern um etwas, was bei den meisten eher Ekel hervorruft: Müll. Wir sind nämlich Recycling Weltmeister! Während unsere Nationalmannschaft also noch um die Titelverteidigung kämpft, können wir schonmal das Jubeln üben.
Vom Förderband zur vollautomatischen Trennanlage
Mülltrennung bzw. Recycling ist ein neuartiges Phänomen – erst seit den 90er Jahren wird es hierzulande betrieben. Zuvor wurde der Müll ohne Rücksicht auf Verluste auf Müllhalden deponiert – aus dem Auge aus dem Sinn. Mit dem Erlass der Verpackungsverordnung wurden die Hersteller in die Pflicht genommen, auch nach dem Verkauf ihrer Produkte Verantwortung zu übernehmen. Das „Duale System“ wurde gegründet und das Markenzeichen ist heute jedem Kind bekannt: Der Grüne Punkt.
Seitdem hat sich einiges in der Art und Weise, wie Abfall verwertet wird, getan. Von der händischen Sortierung an Förderbändern ist ein hoch technologisierter Industriezweig gewachsen. 250.000 Arbeitsplätze, 200 Milliarden € Umsatz und ein jährliches Wachstum von ca. 14% lassen die deutsche Müllverwertungsbranche boomen.
Volkssport Mülltrennung
Schwarze Tonne, Gelbe Tonne, Blaue Tonne, Braune Tonne, Grün-, Weiß-, Buntglascontainer, Schadstoffmobile – und wohin dann eigentlich noch mit dem Elektroschrott? Von klein auf wird in Deutschland die Mülltrennung geradezu pedantisch anerzogen. Trotzdem steht man oftmals mit fragendem Blick vor dem Mülleimer und überlegt, ob man die Folie vom Joghurtbecher jetzt erst ablutschen muss, bevor man sie in die Tonne werfen kann.
Diese konsequente Trennung macht allerdings auch Sinn, das zeigt die Wiederverwertung von Papier, Glas und Aluminium. Diese Stoffe sind besonders werthaltig und der Wirtschaft liegt viel daran die Stoffe durch Wiederverwertung auszuschöpfen. Erleichtert wird das ganze durch eine „sortenreine“ Erfassung. Sprich eine Trennung schon vom Verbraucher von Grünglas zu Grünglas, Weißglas zu Weisglas usw.
Titelverteidigung dank Quotenzauber
Was allerdings keinen Sinn macht, ist die Art und Weise, wie die Recycling-Statistik, nach der wir Weltmeister geworden sind, in Deutschland erfasst wird. Und das geschieht „inputorientiert“. Hinter diesem professionell klingenden Anglizismus verbirgt sich jedoch etwas höhst unprofessionelles. Und zwar das alles an Müll, was auf das Förderband der Sortieranlagen in Deutschland kommt, als recycelt gilt, ungeachtet davon, was mit dem Müll tatsächlich passiert – ob er nun verbrannt oder tatsächlich als Wertstoff wiederverwertet wird. Das gegenteilige Verfahren wäre eine outputorientierte Erfassung, die erfasst, was wirklich am Ende des Recyclingvorgangs aus den Stoffen geworden ist.
Solch eine Output orientierte Erfassung würde Klarheit für alle schaffen. Insbesondere für die Verbraucher. Der Ausruf „Wir sind Recycling-Weltmeister“ hört sich nämlich großartig an und man kann sich dafür auch klasse auf die Schulter klopfen – das Ziel hinter der Wiederverwertung wird jedoch vollends verfehlt. Und das ist der Umweltschutz.
Die Schattenseite der Medaille
Es stellt sich doch die große Frage: Warum machen wir den Scheiß überhaupt? Für unsere Umwelt. Ein Gut was sich nicht mit einem Wert beziffern lässt, aber unbezahlbar für uns, unsere Kinder und Kindeskinder ist. Plastikmüll stellt eine stetig wachsende Bedrohung für unsere Umwelt dar.
Unsere Meere sind voll von Plastik – Tendenz steigend. Und auch wir sind davon unmittelbar betroffen. An Nord- und Ostseestränden ist 75% des angeschwemmten Mülls aus Plastik. Es sterben jährlich unzählige Tiere an den Folgen der Müllverpestung. Und in vielen Ländern der Welt, mitunter auch EU-Mitgliedsstaaten, wird Plastik auch heutzutage noch in Deponien vergraben und gelangt dadurch am Ende oftmals dorthin wo es am meisten Schaden für uns alle anrichtet – im Meer.
Auch in Deutschland landet in der gelben Tonne bis zu einem Drittel an Material, das gar nicht dort hineingehört und ca. ein Viertel von sogenannten „stoffgleichen Nichtverpackungen“, wie Bratpfannen oder Töpfe aus Aluminium. Um die momentane gesetzlich vorgeschriebene Recyclingquote von 36% zu erreichen, reicht es nämlich lediglich diese werthaltigen stoffgleichen Nichtverpackungen zu recyclen. Der Rest, das eigentliche Verpackungsmaterial, wird verbrannt. Das alles wäre weniger schlimm als es ist, wenn wir nicht nur der Top-Recycler, sondern auch der Top-Erzeuger an Plastikmüll in Europa wären.
Müllvermeidung ist das Wort der Stunde
Langfristig lässt sich das Problem mit dem Plastik nur auf eine Art und Weise lösen: Durch Müllvermeidung. Es gilt an Plastik zu sparen, wenn es nicht unbedingt notwendig ist. Denn im Endeffekt erkaufen wir uns kurzfristigen Komfort mit langfristigen Nebenwirkungen. Anschaulich wird das am Beispiel einer Plastiktüte. Die durchschnittliche Nutzungsdauer einer Plastiktüte in Deutschland beträgt 25 Minuten. Die Verweildauer einer Plastiktüte, sobald sie in die Umwelt gelangt, beträgt 450 Jahre.
Falls wir unseren nachfolgenden Generationen also eine saubere Umwelt hinterlassen wollen, gilt es jetzt die notwendigen Schritte einzuleiten.
Politik in der Pflicht
Die Politik ist in der Pflicht, für Transparenz zu sorgen und sich ihre selbst auferlegten Quoten nicht durch Manipulation, sondern nachgewiesene Wiederverwertung zu erfüllen. Niemandem ist geholfen, wenn unsere Recyclingquote auf dem Papier bei 100% liegt, aber immer mehr Fische im Meer verenden oder mit Mikroplastik im Magen auf unseren Tellern landen.
Dabei ist es notwendig, international an einem Strang zu ziehen. Umweltverschmutzung kennt nämlich keine Ländergrenzen. Müll aus China betrifft uns genauso wie Müll aus den USA, Indien, Japan, Griechenland oder Frankreich.
Die Zukunft gestalten – in den Köpfen der Leute
So pessimistisch, wie sich das jetzt hier gelesen hat, kann man dennoch festhalten, dass wir in Deutschland auf einem guten Weg sind. Unsere Infrastruktur, was Mülltrennung angeht, sucht weltweit ihresgleichen. Mülltrennung wird anerzogen und das ist auch gut so. Jetzt gilt es allerdings den nächsten Schritt zu tun. Wir recyclen nämlich nicht nur am meisten, wir verbrauchen auch am meisten. Wenn alle an einem Strang ziehen, ist unser Plastikverbrauch noch um ein Vielfaches zu senken. Aber bevor wir das schaffen, müssen wir ehrlich mit uns selbst sein, aufhören unsere Statistiken zu schönen und anfangen das Problem transparent zu machen – auch international.
Und das Ganze nicht, damit wir am Ende mit dem Finger auf die anderen Zeigen und „Ätsch, wir sind besser“ sagen können, sondern damit die anderen mit dem Finger auf uns zeigen können und sagen: „So wie die machen wir das auch.“
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