Ein Beitrag zum Praktikum von Lauritz:
Zuerst war ich pessimistisch, unmotiviert und hatte überhaupt keinen Bock. Warum ich das war? Mein Studiengang verlangt von mir, dass ich zwei Praktika als Lehramtsstudent machen muss. Eines in der Schule und eines, dass ich mir frei auswählen kann. Semesterferien werden definitiv überschätzt. Zwischen dem Lernen für Klausuren und dem Schreiben von Hausarbeiten bleibt nicht viel Freizeit. Und dann noch ein vierwöchiges Praktikum einschieben, dass nervt echt. Ich musste mich natürlich in dem Fall als machtloser Student der Obrigkeit fügen. Manchmal kann die Uni echt der schlimmste Feind oder Bösewicht im Leben eines unmotivierten Studenten sein.
Zähneknirschend bewarb ich mich bei einem Archiv, einer Bibliothek, einem Museum und bei einem Geschichtsverein. Erstmal war es sehr schwierig für mich, etwas zu finden, was ansatzweise zu meinen Fächern Geschichte und Germanistik passte. Zahlreiche Mitstreiter von mir gingen in den Kindergarten. Freiwillig! „Ne, nicht mit mir, dachte ich.“
Konkurrenz, Kapazitätsprobleme und Absagen – Die Realität der Praktikumssuche
Auf meine Bewerbungen hageltes es dann aber nur Absagen! Die Vielfalt an Gründen, mir ein Praktikum zu verweigern, wurde mir innerhalb weniger Wochen vor Augen geführt. „Na super“, dachte ich mir. Was soll ich denn jetzt machen? Aufgeben darf man in so einer Situation nicht! Auch ein Superheld gibt nicht auf, wenn er mal einen schlechten Tag hat. Man muss einfach nur akribisch weitersuchen, dann findet man auch bald irgendetwas. Tatsächlich erfuhr ich dann in einer Begleitveranstaltung an meiner Uni, dass man sich auch bei Parteien und deren Fraktionen bewerben kann.
Es keimte eine neue Hoffnung in mir auf. In meiner Heimatstadt gab es Büros von verschiedenen Parteien und deren Fraktionen. Sofort tendierte ich zudem der SPD. Ich habe nämlich auf der Website der SPD-Fraktion Leverkusen ein sehr ausführliches Angebot gesehen, bei dem deutlich wird, dass Praktikanten gern gesehen werden.
Bei meinen bisherigen Praktikumseinrichtungen wurde das nicht so sehr ersichtlich. Da musste man erstmal mit einer Mail fragen, ob überhaupt Praktikanten angenommen werden. Zudem gefallen mir die Grundwerte der SPD und sie hat eine bemerkenswerte Geschichte. Als einzige Partei, die sich 1933 gegen die Nationalsozialisten durch ihr Nein zum Ermächtigungsgesetz auflehnte, hat diese Partei meinen Respekt verdient. Zudem würde ich behaupten, dass wir ohne die damalige Ostpolitik der SPD immer noch im Mittelpunkt des Kalten Krieges wären. Die damaligen Politiker schienen wie Helden, die sich für das Wohl der Menschen einsetzten. Sie besaßen große Macht und sie wussten diese gut einzusetzen. Sofort wurde bei der SPD-Fraktion Leverkusen ein Bewerbungsgespräch vereinbart, zwei Monate später ging es auch schon los. Hätte nicht gedacht, dass das so easy ist. Ich befürchtete schon, dass auch hier schon ein Praktikums-Konkurrent schneller wäre als ich.
Cape, grüne Muskeln und Cowboy-Hut im Arbeitsalltag
Am ersten Tag dachte ich: „Oje“. Natürlich wusste ich, dass die Anforderungen nicht so einfach sind. Ist ja auch klar. Für Kommunalpolitik habe ich mich bisher nicht so recht interessiert. Den Namen des Oberbürgermeisters wusste ich zumindest. Ich habe also sozusagen ganz bei null angefangen. Ich hasse es, mich so machtlos als Praktikant zu fühlen. Ich habe mich wie ein Jüngling in Star Wars gefühlt. Aber um Hilfe schreien oder lustlos in der Ecke rumsitzen bringt nix. Auch wenn ich mir kaum vorstellen konnte, dass ich z.B. die nächsten Tage ganz allein einen Pressespiegel machen musste.
Irgendwie hat das dann doch funktioniert. Die Kollegen waren verständnisvoll und hilfsbereit. Menschlichkeit und Kollegialität sind im Büro gern gesehen, falsche Motivation oder streberhaftes Auftreten ist nicht für das eigene Überleben im Praktikum notwendig.
In meiner ersten Woche musste ich auch noch schmerzlich feststellen, dass ich die Fraktion zu Weiberfastnacht begleiten sollte. Ich konnte Karneval noch nie ausstehen. Aber da musste ich durch. Am Ende des Tages waren wir alle Comic-Superhelden. Superman, Hulk, Lucky Luke und Batgirl. Wir waren wahre Helden und nicht so künstlich wie diese „Superhelden“ in schlechten Kinofilmen. Allerdings mussten wir zusehen, wie unser treuer Mitstreiter Batman in Gestalt von Uwe Richrath den Rathausschlüssel an den Karnevals-Prinzen mangels guter Ausdauer abtreten musste.
Obwohl Karneval eine Woche später wieder rum war, sind wir alle trotzdem Helden geblieben. Das zeigte sich vor allem in den Fraktionssitzungen, vor denen ich mich besonders gefürchtet habe. Ich musste die ganzen Sitzungen protokollieren. Wie sollte ich das nur schaffen? Die reden da bestimmt irgendein Kauderwelsch über Themen, von denen ich keine Ahnung habe.
Auch hier kam es anderes. Ich wurde durch die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Fraktion weich aufgefangen. Es stellte sich sogar heraus, dass über interessante Themen gesprochen wurde, über die ich mir meine eigene Meinung bilden konnte, wie beispielsweise über die Stadtentwicklung oder umweltpolitische Aspekte.
Die Fraktion war eine Ansammlung aus Alltagshelden. Ihre Antagonisten waren soziale Ungleichheit und die Probleme der Bürger in Leverkusen. Oftmals waren diese Kämpfe schwierig, da überlegt werden musste, welche Waffen am besten geeignet sind, um die Bösewichte auszuschalten. Die Kämpfe fanden allerdings durch Rededuelle im Rathaus statt.
Kein Praktikum, sondern Genossen-Community
Am besten fand ich immer noch das gegenseitige Duzen, wie es sich unter Genossen gehört. Das Arbeitsklima war einfach entspannt. Das war die Superkraft der Büros. Schwierige Probleme möglichst mit Optimismus und Entspannung zu lösen. Ich bekam als Praktikant so viel Zeit, wie ich benötigte, ein eigenes Büro mit modernem PC und ich durfte sogar Musik am Arbeitsplatz hören. Und das Besondere daran ist, dass man sogar auch noch was dabei lernt. Ich kann jetzt die Vorteile des Gute-KiTa-Gesetzes erklären und ich weiß, wie die Hundesteuer funktioniert.
Aber die wohl wichtigste Erkenntnis: Kommunalpolitik ist mega wichtig und nicht zu ignorieren. Alle, die Kommunalpolitik als nebensächlich erachten, haben keine Ahnung. Also so wie ich am Anfang.
Außerdem hätte ich nie damit gerechnet, dass man in einer Fraktionsgeschäftsstelle so viele Tätigkeiten aus verschiedenen Berufsfeldern anwenden muss. Bislang dachte ich, dass z.B. nur Journalisten Pressemitteilungen schreiben würden oder man nur für schulische oder universitäre Pflichten irgendwas recherchieren muss. Man bekommt hier einen Einblick in den Arbeitsalltag von vielen Berufen. Gleichzeitig fühlt man sich für die Arbeit der gesamten Fraktion verantwortlich. Dass, was man hier verfasst und vorbereitet, wird im Rathaus diskutiert, ausgehandelt und hoffentlich letztlich beschlossen. Kurz: Du sitzt am Dreh- und Angelpunkt der kommunalen Selbstverwaltung und lernst, was Politik eigentlich ist.
(Rauchende) Superhelden in den Pausen
Anfangs erwartete ich, dass die Partei nur von Ratlosigkeit angesichts der Lage der Bundespartei erfüllt sein würde. Nö. Im Gegenteil. Gerade in den Pausen ist es nicht selten vorgekommen, dass man vor lauter Lachen gar nicht mehr zurück zu seinem Arbeitsplatz wollte.
Aber erstmal der Reihe nach. Was erwartet man denn von Pausen? Man muss nicht arbeiten. Das ist schon mal während eines langen Arbeitstages gut. Aber Leute, unterschätzt niemals die Wirkung einer guten Pause. Dort vergisst man völlig, was eigentlich bei dir abgeht. Ich vergaß oft, dass ich nur der einfache Praktikant war, der gezwungenermaßen ein Praktikum absolvieren musste. Die Zeit verging dort immer wie im Flug. Selten habe ich erlebt, dass ich als schüchterner Mensch sofort jede Person in einem Raum sympathisch finde und sogar mitreden kann. Ich merkte richtig, wie meine Nervosität sogar am ersten Tag von Minute zu Minute absank. Verunsicherung oder Depression gibt es nicht es in den Pausen. Superman, Hulk, Lucky Luke und der Marshmallow-Man haben da einen super Job gemacht. Den Kampf gegen meine Nervosität und Verzweiflung haben sie gewonnen! Aber zu einer Superhelden-Basis gehört auch ein anständiges Hauptquartier, und das ist hier der berüchtigte Pausenraum.
Mythen, Geheimnisse und rauchende Köpfe
Wozu ist eigentlich unser Pausenraum da? Reden, Essen, Trinken und Entspannen? Alles völlig richtig. Aber das Wichtigste fehlt noch für einige in den Pausen in diesem Raum. In unserem Hauptquartier haben wir unser weiteres, heldisches Wirken abgestimmt und uns natürlich auch als Helden des Alltags, um die Sorgen der Bürger gekümmert. Dabei fanden bestimmte Rituale statt, beispielsweise das Rauchen. Eine Vermutung von mir war, dass das Rauchen dem Raucher in diesem Pausenraum die notwendigen Superkräfte zur Lösung der Alltagsprobleme der Bürger verleiht. Selbst die Pflanzen im Hauptquartier haben den ganzen Rauch überstanden und sich angepasst. Die Beratungen in unserem Hauptquartier fanden also immer im weißen Nebel statt, der das Geschehen für Außenstehende verhüllt. Der Nebel schuf zudem ein sehr ästhetisches Umfeld, in dem wir prima unsere heroischen Projekte planen konnten. Alles, was in unserer Geheimbasis beredet wurde, blieb auch da. Daher rätseln auch bis heute unsere Mitmenschen, was wir da alles machen. Das weiß man nur, wenn man wie ich ein Praktikum bei der SPD-Fraktion Leverkusen macht.
Wie man Positivem unnötig schaden kann
4 Wochen sind ja eigentlich furchtbar lang, wenn man bedenkt, dass man gar keinen Bock auf ein Praktikum hat. Ist auch völlig normal, wenn man sich darüber beklagt. Aber unterm Strich war es zeitlich in Ordnung. Zu wenig ist ja auch doof, sonst lernt man ja nix und man hat dann wirklich seine Zeit verschwendet.Das einzig Schlechte im Praktikum? Dass meine Uni mir einen Praktikumsbericht mit einem von mir bestimmten forschungs- und literaturgestützten Erkenntnisinteresse aufzwingt. Gegen Ende des Praktikums merkt man mal wieder, wie einen die knallharte Realität aus dem lachenden, heldischen und rauchenden Genossen-Wunderland herausdrängt und mich in den biederen, humorlosen Uni-Betrieb reinzwängt. Mein nächstes Praktikum, das ich in einer Schule machen muss, ist garantiert nicht so witzig. Gelernt habe ich wesentlich mehr als ich am Anfang des Praktikums vermutet habe. Ich habe wichtige schriftliche Darstellungsformen kennengelernt, wie beispielsweise den Blog oder die Pressemitteilung. Das ist bestimmt für weitere Berufsfelder sehr nützlich. Ich habe einen guten Einblick in die Kommunalpolitik erhalten und kommunalpolitische Prozesse kennengelernt, wie z.B. Rats- und Fraktionssitzungen.