Ein Beitrag zum Praktikum von Gerrit:
Der gemeine Student träumt nicht gerade von einem Praktikum in der Kommunalpolitik. Zu klein, zu wenig beachtet und keine Möglichkeit denen „da oben“ mit seinem geballten universitär erworbenen Nichtwissen zu zeigen wie man auf Anhieb die Welt verbessert. Was sich jetzt wie eine Hasstirade auf unsere Studenten gelesen hat, soll das natürlich nicht sein. Lediglich mit leichter Überspitzung darstellen, was viele erleben, die sich an die ersten Schritte im „echten“ Arbeitsleben wagen.
Einblick ins „echte“ Parteileiben
So auch bei mir zu Beginn meines Studiums. Die Einsicht darüber, wie wichtig unsere Kommunen und deren Gremien sind, kam erst mit zunehmender Semesteranzahl und besserem Verständnis unseres politischen Systems. Was außerdem mit zunehmender Semesteranzahl gestiegen ist, ist der Zeitdruck, endlich sein Pflichtpraktikum zu absolvieren. Zuvor nur auf Hochschulpolitischer Ebene aktiv gewesen, war nun der Zeitpunkt gekommen, ins „echte“ Parteileben hinein zu schnuppern. Die Wahl der Partei war bewusst, die Wahl des Ortes eher zufällig – nämlich durch eine Google-Recherche und das Stolpern über die sympathischen und vielversprechenden Praktikumsberichte meiner Vorgänger. Und, so sollte sich schnell herausstellen, hatte ich damit die richtige Wahl getroffen. Ein Praktikum in der Kommunalpolitik bietet nämlich einen wesentlich intensiveren Einblick in die Politik als die meisten anderen Stellen.
Die Kommune ist die niedrigste Verwaltungseinheit im deutschen Föderalismus, hat in den letzten Jahren allerdings immer mehr Aufgaben bekommen. Der Großteil von dem, was auf dieser Ebene passiert, bedingt alle Bürgerinnen und Bürger unmittelbar und ist kein abstraktes Konstrukt wie die Bundes- oder Landespolitik. Im Endeffekt wird nämlich quasi alles, was „dort oben“ beschlossen wird, auf der kommunalen Ebene umgesetzt.
Hier laufen die Fäden zusammen
Genau diese Verzahnung bekommt man im Praktikum in der Geschäftsstelle der SPD-Ratsfraktion in Leverkusen am eigenen Leib mit. Die Besonderheit in Leverkusen ist nämlich, dass die Büros für die Ratsfraktion, der Partei und den Bundes- und Landtagsabgeordneten auf zwei Etagen in einem Haus sitzen. Alle Fäden laufen im „Haus“ zusammen.
Diesen Praktikumsbericht schreibe ich nun circa ein Jahr nachdem ich mein ursprüngliches Praktikum absolviert habe. Normalerweise wäre es äußerst schwierig, sich nach so langer Zeit noch an alles zu erinnern, tatsächlich war ich jedoch nie weg. Ich habe nämlich direkt im Anschluss an das Praktikum eine Festanstellung hier gefunden. Und bin damit der mittlerweile zweite ehemalige Praktikant, der dem „Haus“ als Festangestellter erhalten geblieben ist. Ein Umstand, der vom guten Arbeitsklima und dem kollegialen Zusammenhalt zeugt.
Politik ist Mannschaftskampf
Im sechswöchigen Praktikumszeitraum habe ich einen kompletten Ratsturnus inklusive Vorbereitungen durch Fraktionsbesprechungen, Arbeitsgruppen- und Ausschusssitzungen erlebt und begleitet. Die wohl wichtigste Beobachtung: Politik kostet. Und zwar Zeit. Kommunalpolitiker arbeiten ehrenamtlich, sind nebenher also in den meisten Fällen noch in Vollzeit arbeitstätig. In der Tätigkeit als Praktikant bei der Ratsfraktion gilt es also die Arbeit zu übernehmen, die ein ehrenamtlicher Politiker aus Zeitmangel nicht leisten kann, wie es bei einem hauptamtlichen Politiker im Land- oder Bundestag der Fall wäre.
Und um nicht noch mehr von dieser kostbaren Zeit zu verlieren wird man hier im Praktikum von Minute eins an direkt in das Tagesgeschäft eingebunden. Dabei bilden organisatorische Tätigkeiten maximal eine Ausnahme und das Kaffeekochen wurde auch schon längst an einen vollautomatischen Mitarbeiter der Marke Jura outgesourced. Tatsächlich stellen inhaltliche Zuarbeiten für die Geschäftsführung den Großteil der Arbeit dar. Von der Recherche über Abgasnormen bis zur fast schon detektivischen Arbeit mit Google Maps, um den neuesten Antrag auch sachlich zu hundert Prozent korrekt vorlegen zu können ist fast alles im Aufgabenfeld abgebildet. Sprich: Die Formulierung von Anträgen, Anfragen, Pressemitteilungen, Facebook-, Website- und Blogbeiträgen gehört zum Tagesgeschäft und es wird kein Tag vergehen, an dem nicht mindestens eines davon verfasst werden muss.
Willen braucht man. Und Zigaretten.
Dabei muss allerdings niemand verzagen, die Mitarbeiter im Büro haben stets ein offenes Ohr für Fragen und Probleme, die insbesondere zu Beginn der Praktikumszeit vermehrt auftreten werden. Der Mikrokosmos Kommunalpolitik folgt nämlich Verfahrensabläufen und Strukturen, die für den Laien nicht ohne weiteres ersichtlich sind. Nichtsdestotrotz wird man von Mandatsträgern und Mitarbeitern von Beginn an herzlich und ehrlich aufgenommen. Dabei stellt insbesondere die allmorgendliche Kaffeepause im Raucherstübchen das wichtigste Kommunikationsinstrument hausintern dar, bei der nicht nur der kollegiale Zusammenhalt gestärkt wird, sondern auch alle wichtigen Handlungsabläufe für den Tag geklärt werden. Hier gibt es ihn nämlich noch: Den Pausenraum, in dem das Rauchen erlaubt ist. Und in typisch sozialdemokratischer Manier wird auch tagtäglich für den Erhalt dieses letzten Freiraums für die mittlerweile marginalisierte Gruppe der Raucher gekämpft. Wobei die Luft mit der zunehmenden Anzahl an Nichtrauchern im Büro wortwörtlich immer dünner wird.
Zusammenfassend geht es bei diesem Praktikum also weniger um ideologische Grundsatzdebatten als vielmehr darum, konkrete Handlungsansätze zu erarbeiten. Auch wenn es mitunter nur um einen neuen Fußgängerüberweg geht, sind die Konsequenzen aus dem eigenen Handeln direkt greifbar. Man bekommt mit, wie Entscheidungen vorbereitet, getroffen und auch umgesetzt werden. Und das ist ein ganzheitlicher Einblick, den man nur im Klein-Klein der Kommunalpolitik finden kann.
Daher bin ich froh über meine Entscheidung, ein Praktikum in der Fraktionsgeschäftsstelle der SPD in Leverkusen absolviert zu haben und kann es jedem Praktikumssuchenden nur wärmstens empfehlen, sich hier zu bewerben.
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