Ein Beitrag zum Praktikum von Tom David:
Was kann man von einem sechswöchigem Praktikum in der Geschäftsstelle der SPD-Fraktion in Leverkusen erwarten? Diese Frage habe ich mir gestellt, als ich noch auf der Suche nach einem Platz für mein juristisches Verwaltungspraktikum war. Denn diese gerne als notwendiges Übel angesehene Zulassungsvoraussetzung zum ersten Staatsexamen geht häufig mit Stunden der Langeweile und des Zeit-Totschlagens einher. Jetzt, gegen Ende des Praktikums, kann ich sagen: Das ist hier anders. Durch die Arbeit bei der Fraktion erlangt man Einblicke in das komplette Geschehen rund um die Stadt, vor und hinter den Kulissen. Man begleitet die Entwicklung einer Idee oder Meinung bis hin zum entsprechenden Beschluss im Stadtrat – Demokratie zum Anfassen, so abgedroschen das auch klingen mag. Dabei hat mich immer wieder erstaunt, wie vielfältig die Aufgaben einer eigentlich doch recht kleinen Fraktionsgeschäftsstelle sein können. Schließlich sind hier nur drei (wirklich super nette) Leute beschäftigt, Julian in Vollzeit als Geschäftsführer der Fraktion, Anja halbtags als Assistenz der Geschäftsführung und Engin als studentischer Mitarbeiter. Im Folgenden möchte ich einen Überblick über die tägliche, aber nur selten alltägliche Arbeit der Geschäftsstelle verschaffen.
Ein typischer Tag
Der Morgen beginnt grundsätzlich mit einem essenziell wichtigen Kaffee. Dann geht es aber auch direkt los, der Pressespiegel muss erstellt, Anrufe entgegengenommen, Mails beantwortet, Anträge formuliert und Sitzungen vorbereitet werden. Die Öffentlichkeit wird mit Pressemitteilungen und Social-Media-Beiträgen, die Fraktionsmitglieder mit Recherchen, Zusammenfassungen und Übersichten versorgt. Anja und Julian haben mir aus diesem Pool immer wieder verschiedene Aufgaben zugeteilt, waren stets hilfsbereit, offen für jegliche Fragen und konstruktiv in ihrer Kritik, wenn ich beispielsweise mal wieder ins „Juristendeutsch“ verfallen bin. So durfte ich Anträge formulieren, Pressemitteilungen sowie Beiträge für die Homepage oder die Social-Media Kanäle verfassen, auf Bürgerfragen antworten oder einfach zu bestimmten Themen recherchieren und die Ergebnisse zusammentragen. Für diese Aufgaben wurde mir mein eigenes Büro zur Verfügung gestellt, inklusive Tablet, falls mal ein Nachmittag im Homeoffice verbracht wurde.
Willensbildung
Doch, wie man es von der Politik erwartet, ist kein Tag wirklich wie jeder andere. Immer wieder stehen besondere Ereignisse, Meetings und ähnliches an. Einen ersten Eindruck davon, wie die demokratische Willensbildung an der Basis geschieht, habe ich in den Vorbereitungsgesprächen der Arbeitskreise bekommen. In diesen Arbeitskreisen, die sich in ihren Themenschwerpunkten unterscheiden, werden die das jeweilige Thema betreffenden Anträge der nächsten Ratssitzung durchgegangen und diskutiert. Zu den verschiedenen Punkten werden Erfahrungen aus dem eigenen, meist beruflichen Leben, aber auch aus Gesprächen mit Bürgern oder Experten zusammengetragen, gegeneinander abgewogen und in Einklang gebracht, so dass am Ende zu jedem Thema ein möglichst guter, gemeinsamer Standpunkt gefunden werden kann. Dabei habe ich auch als stiller Beobachter in der Zoom-Konferenz schon interessante Einblicke bekommen: Was denkt der Chef einer Wohnungsbaufirma über die Begrünung von Gebäuden? Wie sieht die Schulleiterin den Mangel an Schulsozialarbeitern?
Ein Level weiter
Eine Woche später wurden die Ergebnisse aus den Arbeitskreisen eine Stufe höher in der Ratsfraktionssitzung zusammengetragen. Hier gehen die Ratsfrauen und -herren der Fraktion gemeinsam alle Anträge auf der Tagesordnung der bevorstehenden Stadtratssitzung durch, um am Ende eine Abstimmungsempfehlung für die Ratssitzung festzuhalten. Dabei sollte ich Protokoll führen, was nach zwei Corona-Jahren ohne handschriftliche Arbeiten bisweilen schwierig war, so schnell wie es hin und her ging. Zum Glück hat Engin ebenfalls mitgeschrieben! In der Ratsfraktion herrscht oft Einigkeit, häufig aber auch Diskussionsbedarf. Dabei ist es unabhängig wie „groß“ das Thema ist, sei es die Herabsenkung des Gewerbesteuersatzes und den damit verbundenen Konsequenzen, die Verhinderung einer noch größeren Stelzenautobahn im Wohngebiet oder aber auch das Verbot von Luftmatratzen auf dem Hitdorfer See, jeder strittige Aspekt wurde von den verschiedensten Seiten betrachtet und mit Hingabe diskutiert, so dass am Ende eine Entscheidung stand, in der sich jeder bestmöglich wiederfinden konnte.
Gemeinsame Sache
Und das hat mich, ganz ehrlich gesagt, überrascht. Ich habe den Großteil der Lokalpolitiker bis dahin eher für Einzelkämpfer gehalten, die das Beste für ihr Viertel wollen, aber sonst im Konsens der Partei mitschwimmen. Dem ist nicht so. Die allermeisten Fraktionsmitglieder haben bei mir den Eindruck hinterlassen, zu jedem Thema eine fundierte Meinung zu haben, und dabei stets zum Wohlbefinden möglichst aller Bürger zu handeln.
Der große Showdown
In der folgenden Woche stand dann endlich die Ratssitzung an. Auch wenn diese über den ganzen Nachmittag bis in die Abendstunden dauerte, fand ich es super interessant, die Dynamiken zwischen den Fraktionen, die Diskussionen und Auseinandersetzungen persönlich mitzuerleben. Dabei schwankt das Niveau zwischen fundierten und hingebungsvollen Redebeiträgen und Verunglimpfungen durch stadtbekannte Einzelvertreter. Ich kann es jedem, der am Geschehen in der eigenen Stadt interessiert ist, nur empfehlen, auch mal eine Ratssitzung zu besuchen, oder dieser online über das Rats-TV beizuwohnen. Die ganzen Überlegungen der vorherigen Wochen und Monate werden hier schlussendlich durch die gewählten Vertreter der Leverkusener Bevölkerung in die Tat umgesetzt, was ja wiederum direkte Auswirkungen auf einen selber hat. Auch wenn eine solche Sitzung gerne mal acht Stunden dauert, und einen manche Themen natürlich mehr interessieren als andere, kam ich hier durch die parteiinternen Vorbereitungen gut mit. Die meisten Anträge hatte ich im Vorfeld durch die Arbeit im Büro ja ohnehin schonmal auf dem Bildschirm. Dass die Fraktionsvorsitzende der SPD, Milanie Kreutz, einen Teil meiner Recherche in die Diskussion mit einbringen konnte, hat mich besonders gefreut.
Auf die Straße!
Am nächsten Tag folgte der nächste Höhepunkt: Die Autobahn GmbH hatte zu einer Veranstaltung geladen, bei der sie die Bürger über die Verbreiterung der Stelzenautobahn informieren wollte. Natürlich war das ein passender Anlass für eine Demonstration des Bündnisses „Keinen Meter mehr!“, die Julian angemeldet hat. In entsprechender Montur zogen wir zur Bürgerhalle, vor der sich nach und nach hunderte Menschen, inklusive dem OB und zahlreicher Mitglieder des Stadtrates, versammelten, um sich am Protest zu beteiligen. Wenngleich auch völlig anders als die Ratssitzung am Tag zuvor, ist auch eine solche Tätigkeit Bestandteil der kommunalen Politik. Auch wenn wirklich viele Bürger zusammenkamen, hat mich der Altersschnitt der Anwesenden ernüchtert. Mit meinen 24 Jahre gehörte ich vor Ort definitiv zu den jüngsten paar Prozent. Dabei sind wir es doch, die am längsten mit den Konsequenzen der Entscheidungen von heute leben müssen. Also – geht demonstrieren!
Bisse jeck?
Aber die Woche hielt noch mehr bereit: Karneval stand vor der Tür! An Weiberfastnacht wohnten wir aus dem Büro, als Bösewichte von Super Mario verkleidet, dem Luminadensturm und der Eroberung des Stadtschlüssels bei. Ein sehr guter Einstand in die jecken Tage, die zuletzt zwei Jahre in Folge wegen der Corona-Pandemie mehr oder weniger ausfielen, und definitiv eine der angenehmsten „Aufgaben“ der Geschäftsstelle. Wann sonst gibt es Kölsch während der Arbeitszeit?
Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ich mit der SPD-Fraktion die absolut richtige Wahl für den Ort meines Praktikums getroffen habe. Hier sitzt man seine Zeit nicht nur ab oder wird mit Kaffeeträger-Aufgaben bedacht, ganz im Gegenteil, Anja und Julian sind durchgehend bemüht, einem die verschiedenen Aspekte der Lokalpolitik und Aufgaben einer Fraktionsgeschäftsstelle näherzubringen. Sei es in Form von Aufgaben oder beim Gespräch zum gemeinsamen Mittagessen, überall konnte ich Einblicke erlangen und Interessantes sowie Wissenswertes erfahren. Ein Praktikum mit absolutem Mehrwert! Wie bereits eingangs erwähnt, waren meine Erwartungen zu Beginn überschaubar. Dennoch vergingen die sechs Wochen wie im Flug, was ja allein für sich schon zeigt, wie viel Spaß es mir hier gemacht hat. Deswegen kann ich schlussendlich jedem, der politisch halbwegs interessiert ist, ein Praktikum in der Geschäftsstelle der SPD-Fraktion in Leverkusen nur ans Herz legen.