Es ist 2019 und wie jedes Jahr hat auch 2019 einen 8. März – und wie jedes Jahr seit 1911 gibt es einen Frauenkampftag, seit 1921 immer am 8. März. Frauenkampftag oder Internationaler Frauenkampftag (manche sagen Weltfrauentag, die Vereinten Nationen haben den Tag für die Rechte der Frau ausgerufen) klingt nach Auseinandersetzung – und zu Recht.
Der Welttag wurde auf Bestreben Clara Zetkins und anderer Sozialist*innen und Sozialdemokrat*innen nach US-amerikanischem Vorbild ins Leben gerufen, als Zeichen für den täglichen Kampf für die Gleichberechtigung. Das erste große Ziel war das Erlangen des Wahlrechts für Frauen, eine Errungenschaft, die sich in Deutschland dieses Jahr zum 100. Mal jährt. In der Folge ging und geht es um noch viel mehr, um allgemeine Gleichberechtigung und ein selbstbestimmtes Leben.
Es bleibt viel zu tun
In 108 Jahren wurde viel erreicht und es war ein Kampf, ein Kampf gegen vielerlei Widerstände, deswegen passt der Name sehr gut. Und es gibt noch viel mehr zu tun. Ein paar Beispiele:
- Die Hälfte unserer Bevölkerung ist weiblich, im Bundestag sitzen aber nur 31,3% Frauen[1], in den Vorständen der DAX-Unternehmen gar nur 14,5%[2].
- Frauen leisten 80% der sogenannten Carearbeit in Deutschland und das zum größten Teil unbezahlt.
- Unterschiedliche Aufstiegschancen und das unbezahlte Mehr schlagen sich auch in der Gender Pay Gap nieder, aber nicht nur. Frauen verdienen durchschnittlich 21% weniger als Männer. Selbst der bereinigte Vergleich, in dem gleiche Berufe/Qualifikationen als Maßstab angelegt werden, zeigt bei der letzten Erhebung eine Lücke von knapp 6 %.[3]
- Darüber hinaus sind viele Produkte für Frauen von Grund auf teurer als für Männer, zum Beispiel Rasierer. Im Extremfall sind sie mehr als doppelt so teuer.[4] Andere Produkte werden als Luxusprodukte besteuert, obwohl zum Beispiel Tampons eines ganz sicher nicht sind: Luxusprodukte.
Selbstbestimmung der Frauen in Gefahr
Schlimmer noch als das, was bisher nicht erreicht wurde, ist die drohende Gefahr für das Erreichte. In vielen Ländern Europas sind Frauenrechte ins Visier rechter, rechtsradikaler und erzkonservativer Bewegungen geraten. Es gibt also nicht nur einen Kampf für Frauenrechte, es gibt einen Kampf gegen Frauenrechte:
- In Polen, in Österreich und anderen Ländern soll das Rad der Zeit zurückgedreht werden: Das Recht auf Selbstbestimmung, auf Abtreibung, soll eingeschränkt bzw abgeschafft werden.
- In Bulgarien wird die Unterzeichnung der Istanbulerklärung gegen Gewalt gegen Frauen unter fadenscheinigen Gründen verweigert – und der Druck in anderen Ländern steigt.
- In den Niederlanden sollen alleinstehende und lesbische Frauen von staatlicher Unterstützung für Fruchtbarkeitsbehandlungen ausgeschlossen werden.
- Und auch generelle Angriffe auf Arbeitnehmer*innenrechte treffen vor allem Frauen: Die Anhebung der Maximalarbeitszeit in Ungarn oder Österreich, wie sie auch von der Landesregierung von Armin Laschet gefordert wird, trifft am Ende immer Frauen.
Was kann Europa tun?
Was Europa jetzt damit zu tun hat? Natürlich haben viele Probleme tiefere und gesellschaftliche Wurzeln, die einen langen Atem erfordern und nicht von heute auf morgen zu beheben sind. Aber dennoch gibt es Möglichkeiten auf europäischer Ebene direkt Sachen zu ändern, verbleibende Missstände zu beheben und das Erreichte gegen die Angriffe von gestern und rechts zu verteidigen:
- Die 2015 ausgelaufene Gleichstellungsstrategie der Europäischen Union braucht eine Neuauflage
- Ein EU-weites Lohngerechtigkeitsgesetz, um die Lohnlücke zwischen den Geschlechtern zu schließen
- Mehr Nachdruck bei der Umsetzung der Richtlinie zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf
- Eine verbindliche Quote für Frauen in Aufsichtsräten
- Ein verbindliches Reißverschlusssystem für Listen zur Wahl des Europäischen Parlaments – und eine paritätisch besetzte Europäische Kommission
- Eine verbindliche EU-Strategie gegen Gewalt gegen Frauen und damit die EU-weite Umsetzung der Istanbulkonvention
- Eine Verringerung der maximalen Höchstarbeitszeit und viele weitere arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, die eben auch in besonderem Maße Frauen helfen
Dafür gilt es zu kämpfen, nicht nur heute, nicht nur für die Wahl, nicht nur im neuen Parlament, sondern jeden Tag. Weil was dieser Tag nicht ist, ist ein Feigenblatt, ein Tag an dem Gleichstellung nach vorne gestellt wird, um sie dann an allen weiteren Tagen zu vergessen.
Dafür stehen wir. Dafür steht unser Europa.
Ingo Wagner, Kandidat für die Europawahl
Daphne van Doorn, stellvertretende Ortsvereinsvorsitzende des SPD-OVs Wiesdorf-Manfort
[1] https://www.bundestag.de/abgeordnete/biografien/mdb_zahlen_19/frauen_maenner-529508
[2] https://de.statista.com/infografik/16590/anteil-der-weiblichen-vorstaende-in-dax-unternehmen/
[3] https://www.equalpayday.de/startseite/
[4] https://www.vzhh.de/themen/lebensmittel-ernaehrung/einkaufsfalle-supermarkt/pink-tax-frauen-zahlen-mehr